Mit steter Freude gegen die Einsamkeit im Seniorenheim

Erfolgsgeschichte „Hilfe zur Arbeit“:

„Danke, Ashtar!“ Die 46-Jährige Ashtar Kassid *streichelt der Seniorenheimbewohnerin sanft übers Gesicht. Kassid ist beliebt, hat ihren Platz gefunden. Und wenn es nach ihrem Chef, dem Leiter des AWO-Pflege- und Seniorenheims geht, ist Ashtar Kassid gekommen, um zu bleiben.

Bevor sie hier als Hauswirtschaftskraft angefangen hat, durchlief sie zahlreiche Stationen: Mit Mitte 20 war sie aus Bagdad, der Hauptstadt des Irak, nach Deutschland gekommen. Vier Kinder hat sie hier in München großgezogen. Um das Familieneinkommen zu unterstützen und ein wenig dem Alltag zu entkommen, arbeitete sie ein Jahr als Küchenhilfe und drei als Reinigungskraft.

Leider lernte sie weder durch den Kontakt zu anderen Eltern noch in ihren Mini-Jobs Deutsch zu sprechen. Daher hatte sie sowohl gegenüber ihrem Ehemann als auch gegenüber ihren Kindern eine große Abhängigkeit. (Die zusätzlich verstärkt war, weil sie zunächst kein eigenes Konto besaß, sondern Konto der Tochter angeben musste). Durch die fehlenden Deutschkenntnisse war die Auswahl an Arbeitsmöglichkeiten stark eingeschränkt. Einen Deutschkurs absolvierte sie nie.  

Das Jobcenter verwies Ashtar Kassid schließlich an das auf Frauen spezialisierte anderwerk-Projekt „Hilfe zur Arbeit“. Ute Steinhilber, sozialpädagogische Beraterin bei anderwerk erinnert sich: „Sie kam mit einem großen Lächeln in den Raum, das alle einnahm. Das war unbeschreiblich positiv. Ich bin so froh, dass sie meinen Vorschlag mit der Tätigkeit in der Küche eines Seniorenheims angenommen hat. Die Leute dort brauchen diese wahnsinnig große positive Energie so sehr.“

Der Plan geht auf

Laut Ute Steinhilber unternehmen viele Frauen, sobald die Kinder im Teenageralter sind, einen neuen Anlauf, eine Perspektive für sich zu entwickeln. Nur zwei Wochen nach dem Beratungsgespräch erwartet sie Ashtar Kassid vor dem Senioren- und Pflegeheim der AWO. Auch hier bezaubert Kassid den Heimleiter, die Kolleg*innen und die Bewohner*innen mit ihrer Ausstrahlung. „Seit dem ersten Tag, habe ich nie einen bösen Gesichtsausdruck bei ihr gesehen“, so der Heimleiter Christian Maier.

Ute Steinhilber hilft ihr in der Folge die letzten Hindernisse gemeinsam zu überwinden, denn durch die fehlenden Sprachkenntnisse hatte sie weder eine passende Fahrkarte, noch die notwendige Belehrung nach dem Infektionsschutzgesetz. Und auch mit den Kolleg*innen im Wohnbereich des Seniorenheims tauchten zu Beginn immer wieder Missverständnisse auf. Sie hatte Probleme, die Bewohner*innen zu verstehen, konnte den Kolleg*innen Beobachtungen schlecht  weitergeben, Anweisungen nicht immer richtig umsetzen … Doch Ashtar Kassid gleicht den Ärger durch Arbeitseifer, Hingabe bei der Pflege der Senior*innen und große Freundlichkeit aus. Der Plan geht auf.

Vom Mini-Job zur Vollzeitkraft

Im Förderplangespräch sechs Wochen später ist Christian Maier voller Lob über ihre Entwicklungen. „Sie ist bei allen Bewohner*innen sehr beliebt. Ihre gute Laune wirkt sich auf den ganzen Wohnbereich aus. Wenn ich bei meinem täglichen Durchgang durch die Wohnbereiche komme, ist Ashtar Kassid immer beschäftigt. Ihre Zuverlässigkeit und Hilfsbereitschaft schätzen auch die Kolleg*innen sehr.“
Nach einem halben Jahr steht fest: Ashtar Kassid soll im Senioren- und Pflegeheim als Hauswirtschaftliche Hilfskraft bleiben und bekommt einen Arbeitsvertrag über das „Teilhabe am Arbeitsmarkt“-Gesetz.

Und Christian Maier betont: Wenn das vorbei ist, möchte ich sie auf jeden Fall als Hauswirtschaftskraft übernehmen. Sie hat sich in der aktuellen Krisenzeit als wichtige emotionale Stütze gezeigt.“ Denn in der Corona-Pandemie seien die Bewohner noch mehr an ihre Zimmer gefesselt und freuten sich über kurze Gespräche. Und eine warme Berührung. Gegen die Einsamkeit.

*Name von der Redaktion geändert