Ziel erreicht: Qualifizierender Schulabschluss und Ausbildungsplatz

Erfolgsgeschichte aus dem Bereich „anderschule“

Wie viele Schrauben brauchen wir für zwei Hinterreifen? Sobald die Textaufgaben mit seinem beruflichen Wunsch KfZ-Mechatroniker zu tun hatten, war Walid* top motiviert. Das machte sich Tobias Schlereth, Lehrer bei anderschule zu Nutze. Heute hat Walid seinen Qualifizierenden Schulabschluss (QSA) geschafft und absolviert eine Lehre in einer Auto-Werkstatt.

Im Alter von 14 Jahren war Walid 2014 aus Afghanistan in Deutschland angekommen. Geflüchtet, weil sein politische engagierter Vater und damit die gesamte Familie in der Heimat verfolgt wurden. Nach einer Odyssee über viele verschiedene Länder wurde Walid kurz nach seiner Ankunft in eine Übergangsklasse gesteckt. Trotz der fremden Sprache schaffte er den Mittleren Schulabschluss. Aber dann war der Ausbildungsweg für ihn zunächst zu Ende.

Zwar wollte Walid den Qualifizierenden (Haupt)Schulabschluss schaffen, aber er hatte die Regelschulzeit erfüllt und die damalige Schule verweigerte ihm einen längeren Schulbesuch. Hinzu kam sein gesteigertes Aggressionspotential. Tobias Schlereth erinnert sich: „Walid fiel es lange Zeit schwer, Dinge anzunehmen und sich selbst kritisch zu sehen. Eine typische Bemerkung von Walid war zu Anfang ‚die anderen haben‘.“

Kleine Klassen + Einzelunterricht + spezielle Förderung

Aufgrund dieses Verhaltens, zu der sich starke Konzentrationsschwierigkeiten gesellten, kam es zu großen Problemen in der neuen Mittelschule, die ihn trotz seines Alters aufgenommen hatte. Bereits nach einem Vierteljahr trafen sich der Sozialpädagoge der ambulanten Erziehungshilfen von anderwerk und die Lehrer von Walid zum Krisengespräch. Doch Walid schaffte es nicht, sein Verhalten im großen Klassenverband zu ändern. Im November 2015 war endgültig Schluss und er flog von der Schule.

Ende November stellte er sich bei Tobias Schlereth vor, denn die Motivation und der Wille war da: Walid wollte weiterhin den Qualifizierenden Schulabschluss schaffen, um eine Ausbildung zu KfZ Mechatroniker anzuschließen. Dank verschiedenster Maßnahmen gelang dies dann auch im ersten Anlauf: „Anfang 2016 wurde die Konzentrationsschwäche und Aggression als ADS diagnostiziert“, erklärt Tobias Schlereth. „Dank einer spezieller ADS-Fortbildungen, die ich im Laufe meines Berufslebens als Coach für bildungsferne Jugendliche absolviert hatte, wusste ich nun besser, welche Übungen ihm helfen würden. „Walid konnte sich kaum fokussieren. Also sagte ich ihm in solchen Momenten beispielsweise einen Satz vor, den er dann wiederholen sollte. Der Satz wird dann durch Nebensätze und Adjektive erweitert und erschwert, so dass in der Wiederholung die Konzentration zurückkehrt.“

Praktikum und schulischer Praxisbezug

Die kleinen Gruppen der anderschule taten ihr Übriges: „Die drei, vier starken Persönlichkeiten in anderschul-Klassen merken für Gewöhnlich schnell, dass sie ähnliche Probleme haben. Dadurch entfällt das Imponiergehabe recht bald“, so Schlereth. Die Jugendlichen respektierten sich gegenseitig und zollten einander Respekt. In diesem Fall habe es die Klassenkameraden außerdem beeindruckt, dass Walid stets sein klares Ziel vor Augen hatte. Und so gaben sie Schlereth im Unterricht bereitwillig den Raum, sich Walid einzeln zu widmen.

Eine Zeitinvestition, die sich gelohnt hat. Schlereth, gelernter Berufsschullehrer für Fahrzeugtechniker, betreute Walid auch während seines Praktikums in der KfZ-Werkstatt Gneisenaustraße: „Sowohl bei der Arbeit als auch in der Schule hat Walid die Motivation, die man ihm gab wieder positiv zurückgegeben. Wenn ich also in der Schule Textaufgaben auf seine Interessen umgemünzt habe, hatte er den Ehrgeiz, diese zu lösen. Aus 12x + 13 – 4x = 53 wurde so 12 Schrauben + 13 – 4 Schrauben = 53. Walid hat so lange mit mir an allen Aufgaben gearbeitet, bis er es geschafft hat. Und nun steckt er bereits mitten in der Ausbildung und ist seinem Ziel bereits sehr nah.

*Name von der Redaktion geändert