U-Turn: Sehnsucht nach Gruppenerlebnissen
Erlebnispädagogik im Bereich „U-Turn“
Wie passt ihr als Team zusammen? Was bedeutet Teamarbeit? Wer hat welche Stärken und Schwächen? Für die neuen Azubis der Schreinerei und der Raumausstattung und für die Anleiter sind die Antworten sehr wichtig. Ein wichtiges Instrument ist die Erlebnispädagogik, durchgeführt bei anderwerk von Jonathan Hof. Zum Start des Ausbildungsjahres 21/22 ging es an einen Bergsee bei Füssen, denn die Herausforderungen erwarteten die Azubis zu Wasser und zu Land.
Aufgabe als Gruppe bewältigen
Wie kommen die Seide oder das Holz an das andere Ufer des Weißensees? Diese Aufgabe sollten die Azubis der Raumausstattung (Raumis genannt) und der Schreinerei bewältigen. Die Raumis bauten zwei Flösse und stellten dann fest: Ein großes Floß wäre viel besser gewesen. Jonathan Hof erzählt: „Man spürte bei den Jugendlichen die Sehnsucht nach Gruppe. Sie hatten es nur zu Beginn nicht raus, wie sie am besten an einem Strang ziehen.“ Dabei hatten sie alle Freiheiten: „Obwohl ihnen niemand Handy-Verbot erteilt hat“, ergänzt Hof, „hat niemand bei Youtube recherchiert, wie man am besten selbst ein Floß baut.“
Auf einem Haufen lagen Utensilien und es war die Entscheidung der Azubis, was sie wie nützen wollten. Die eine Gruppe setzte auf Auftrieb. Sie füllten eine Plane mit Luftballons, schichteten Latten übereinander und schnürten alles fest. Zum Schluss schnappten sie sich noch die Schwimmwesten und packten diese obendrauf. Die andere Gruppe setzte auf Ästhetik. Das Floß sollte spitz und schnittig werden. Ein Einzelner störte, erkannte und entlarvte sich aber recht schnell selbst. Gemeinsam legte die Gruppe Regeln fest, die dann auch im Arbeitsalltag funktionieren sollten, wie sich später zeigte. Am Ende kamen alle Flöße mit mehr oder weniger Nachkonstruktion an.
Die Schreiner waren im Gegensatz zu den Raumis wahnsinnig schnell, genossen dann die Zeit auf und am See. Einzelne traten zwar durch gute Ideen hervor, der Spaß an einer Gesamtgruppe überwog aber. In dieser Gruppe funktionierte die Arbeit am Kompromiss.
Finde dein Ziel und nimm es mit
Am zweiten Tag wanderten die Azubis gemeinsam mit ihren Anleitern am See. Eine gute Gelegenheit für Fragen an die Jugendlichen: „Was bringt Dir die Ausbildung? Was erwartest Du Dir? Was bringt Dich voran? Wie entschlossen seid ihr? Das Ziel der Ausbildung bei anderwerk ist, dass die Jugendlichen sich organisieren können, nach der Prüfung sich in der Arbeitswelt zurechtfinden werden. Besonders bei den Sucht-gefährdeten Azubis ist Zuverlässigkeit und Struktur eine Herausforderung. Als die Jugendlichen bei den Wasserfällen vorbeikommen, fordert Jonathan Hof seine Schützlinge auf, einen Stein als Symbol für ein Ziel mitzunehmen. Beim Gang durch das Felsentor sollen sie sich für zwei Priorität entscheiden, am See die übrigen in den See werfen. Die Steine mit den Zielen für das kommende Jahr nahmen die anderwerk-Azubis schließlich mit nach München.
Führungsqualität erkennen und anerkennen
Wer hat welche Fähigkeiten? Und wer kann sich durchsetzen? Das fanden die Azubis der Schreinerei heraus, als sie nur mit Kompass und Karten ausgestattet – ohne Google Maps – einen Berg finden (Hornberg) und diesen dann auch bezwingen sollten. „Ich hätte eingegriffen, wenn wir in die Dunkelheit geraten wären“, sagt Jonathan Hof. Aber ein Azubi im zweiten Lehrjahr konnte sich an das Einnorden des Kompasses vom Vorjahr erinnern. Die anderen ließen sich bereitwillig führen. Zwar zog sich die Gruppe während der Wanderung aufgrund von konditionellen Unterschieden auseinander, aber das bot wiederum die gute Gelegenheit für Gespräche und Hinweise: Wie halte ich eine Gruppe zusammen? Wie nehme ich auf schwächere Teilnehmer Rücksicht? Am Klettersteig erlebten sich die Azubis genau bei diesen Fragen. Wer übernimmt die Führung? Ist Spannung gut oder schlecht? Wie gehst Du mit körperlicher Anstrengung um? Ein weiteres Thema war „Teamarbeit“.
Erlebnispädagogik ist gut für einzelne und fürs Team
Jonathan Hof resümiert: „Auch diese erlebnispädagogische Methodik funktionierte wieder ausgezeichnet. Vor allem jetzt im Rückblick ist zu erkennen, dass die Gespräche mit einzelnen, die Fragen nach ihren Bedürfnissen und Wünschen sich positiv auf das gesamte Team auswirkten.“ Gerade einzelnen Jugendlichen konnte laut Hof geholfen werden, weil sie sich durch sportliche Erfolgserlebnisse beim Klettern gestärkt fühlten und dadurch insgesamt zuversichtlicher und offener in der Gruppe agierten.