Zwei Fahrten, zwei Gruppen – Teamwerdung und Teamstärkung

Erlebnispädagogik im Bereich „U-Turn“

Die Erlebnispädagogische Fahrt (EP) findet jedes Jahr einige Wochen nach Beginn des Azubi-Jahres statt. So haben sich die Auszubildenden schon ein wenig kennengelernt und die ersten Herausforderungen kristallisieren sich heraus. Das Team der Schreinerei erlebte seine erste EP am Chiemsee, wo sie auch zwei Nächte in mitgebrachten Zelten auf dem Campingplatz verbrachten.

Was trage ich zur Gruppe bei?

„Wie kann ein Team gelingen?“ Und „Was bringe ich ein?“. Mit diesen Fragen machten sich die angehenden Schreiner mit Melina Thanner als Maßnahmekoordinatorin von U-Turn, Katharina Meram, Sozialpädagogin und dem Meister Klaus Haas in zwei Bussen auf den Weg.

Grundsätzlich bringen die Jugendlichen bei anderwerk viel „Ballast“ mit, denn sie kommen oft aus schwierigen Familienverhältnissen. Sei es, dass sie mit Suchtkranken in einem Haushalt leben oder die Eltern bereits psychisch belastet sind. So sind sie oft neben der Ausbildung häufig noch in einer Therapie, um sich zu stabilisieren. Hinzu kommen Wissenslücken in der Schule, die verschiedene Ursachen haben können wie Fehlzeiten, mangelnde Konzentrationsfähigkeit, Lerndefizite aus vorherigen Schulbesuchen … Auch in ihrem vertrauten Umfeld hatten und haben sie große Probleme, ihren Alltag zu bewältigen.

Gerade in der Schreinerei ist die Gruppe in diesem Jahr sehr gemischt: Unterschiedliche Interessen und Charaktere und führen zu kleinen Konflikten. „Bei uns treffen dieses Jahr laute Macher auf schüchterne Stille. Manche halten sich zurück und lassen die anderen machen“, so Melina Thanner. Hinzu kommt die sehr große Altersspanne von 18 bis 26 Jahren.

(Noch!) kein Interesse an Gemeinschaft

Den Anleitern und der Sozialpädagogin ging es in diesem Jahr darum, dass die einzelnen Personen Verantwortung für sich und die Gruppe übernehmen. „Bei der ersten Aktivität sollten die Jungs und Mädchen mit Booten (Kanadiern) von A nach B über den See fahren. Sowohl beim Auf- als auch beim Abbau hat sich gezeigt, dass viele nur an sich gedacht haben. Das brachte auch den Zeitplan durcheinander.

Auf dem Wasser dann ein ähnliches Bild: Weil der Vordermann nicht auf den Hintermann achtete und umgekehrt, fuhren die Boote in Schlangenlinien oder sogar im Kreis. „Ich muss sagen, dass die fehlenden Absprachen im Boot auch auf die Arbeit in der Werkstatt übertragbar sind“, so Meram. Teilweise fehlte es auch an Ehrgeiz und Energie. Die Herausforderungen für das Team zeigten sich dann auch beim späteren Abendessen: „Es war schwierig, eine Gemeinschaft zum Kochen oder Essen zu finden“, sagt Katharina Meram. Manche wollten nicht zusammen grillen, sondern kauften sich lieber eigenes Fleisch und bereiteten es alleine zu. Melina Thanner, berichtet, dass sich oft keine Freiwilligen für Aufgaben meldeten, sei es zum Kochen oder Spülen. „Wir mussten also die Aufgaben klar verteilen.“ Auch dieses Verhalten spiegele den aktuellen Zustand in der Werkstatt wider. Katharina Meram betont: „Es ist wichtig, dass sich die Auszubildenden mit der Werkstatt identifizieren und sehen, wo Hilfe gebraucht wird. Kehren, absaugen, aufräumen, erst wenn diese Schritte getan sind, können alle nachhause gehen.

Positive Eindrücke – Alleine etwas schaffen!

Bei anschließenden Lagerfeuergesprächen zeigte sich die Unterschiedlichkeit der Gruppe noch einmal sehr deutlich. „Während der eine Witze erzählte und Youtube-Videos zeigte, zog sich der andere komplett zurück. „Ein Teil hatte kein großes Interesse an der Gruppe“, berichtet Katharina Meram.

Aber es gab auch sehr positive Eindrücke! Die Azubis hatten sich eine Klettereinheit gewünscht. Alle machten mit, auch die Schüchternen schafften den Parkour und alle blickten stolz zurück auf ihren Weg zurück.

In der darauffolgenden Woche gab es morgens ein Reflexionsgespräch in der Werkstatt. „Wir haben noch einmal darüber gesprochen, wie wichtig es ist, sich gegenseitig zu helfen“, erzählt Katharina Meram. „Denn eine Werkstatt ist wie eine Gesellschaft, wir funktionieren nur als Gemeinschaft. Das Erlebte und die Gespräche brauchen jetzt Zeit, um zu wirken.

Raumausstatter – ein Team wird stärker

Auch hier ein volles Programm, aber eben mit anderen Voraussetzungen. Das Team der Raumausstattung ist nicht vollkommen neu zusammengesetzt. Die Azubis paddeln in Teams auf der Altmühl und durch das vorhandene Vertrauen und den Teamgeist gelingt die Fahrt größtenteils. Auch an den zwei Abenden taucht die Frage nicht auf, wer sich um was kümmert. Die einen kochen, die anderen räumen auf, der Rest spült. Melina Thanner sagt: „Bei den Auszubildenden der Raumausstattung geht es aktuell um die Persönlichkeitsförderung. Wir wollen den Einzelnen stärken, denn sie werden nicht mehr sehr lange in diesem geschützten Rahmen sein. Schon bald müssen sie sich eigenverantwortlich in einem Beruf behaupten.

Auch hier bringen die Jugendlichen die erwähnten Probleme oder Herausforderungen mit. Als Gruppe haben sie sowohl die Bequemlichkeit als emotionale Regulierung als Thema: „Was kann ich tun, wenn es mir schlecht geht?“, „Wie gehe ich mit Stress um?“

Nicole Maier, Gesellin, ihre Kollegin Stephanie Lehrberger und Melina Thanner nutzen den Alltag und auch diese Erlebnispädagogische Fahrt, um den Jugendlichen Impulse zu geben. Sie sagen: „Spielt Tischtennis, probiert eine Meditation, geht in den Wald, sprecht miteinander, probiert euch aus.“

Die Azubis der Raumausstattung waren traurig, als es nach nur zwei Nächten wieder nach Hause ging. Nicole Maier erzählt stolz: „Jeder hat sich einzeln bei uns für die schönen Tage bedankt“.