Erfolgsgeschichte: Aus der Depression in die Berufsausbildung
Erfolgsgeschichte aus dem Bereich IBZ-Beruf-Hamburger Strasse
Das IBZ Beruf Hamburger Straße war eine wichtige Zeit für Jessica F.* „Ich habe sie gecoacht, vermittelt, bestärkt, motiviert und begleitet“, erinnert sich Sabine Zmuda, Beraterin im IBZ Beruf bei anderwerk. „Sie hatte es von Anfang an nicht leicht“, so Zmuda. Als einziges Kind einer alleinerziehenden, schwer depressiven und in der Folge alkoholkranken Mutter, habe sie sich schon im Grundschulalter um diese kümmern müssen.
Jessica war klar überfordert. „Aus therapeutischer Sicht, kann man sagen, dass sich die Ängste und Nöte der Mutter auf sie übertrugen“, berichtet Zmuda weiter. Jessica entwickelte eine Sozialphobie und Depressionen, die sie immer stärker beeinträchtigten, so dass sie es nicht mehr schaffte, zur Schule zu gehen.
Das kleine Mädchen zog sich immer mehr in ihre innere Welt zurück, las und zeichnete sich eine Phantasiewelt, in der alles harmonisch und Wölfe ihre Beschützer waren. Über das Jugendamt wurde sie schließlich mit 13 Jahren gegen ihren Willen in ein Kinderheim eingewiesen. Dort fand eine der Betreuerinnen Zugang zu ihr, so dass sie mit deren Hilfe den Quali schaffte. Danach absolvierte sie ein Berufsvorbereitungsjahr in Richtung Verkauf, was ihr allerdings gar nicht lag. Zu Kontakt mit Menschen war sie zu dieser Zeit nicht in der Lage.
Der langsame Weg zur Stabilisierung
Mit 18 Jahren durfte Jessica dann wieder zu ihrer Mutter zurückziehen, lebte aber von Sozialhilfe, da sie sich beruflich nichts zutraute. Ihre Mutter hatte inzwischen die stabilisierende Maßnahme des VPA SINE durchlaufen, einer Hilfseinrichtung für alkoholkranke Menschen. Zuvor war sie im IBZ Hamburger Straße beraten worden, so dass sie wieder in der Lage war, die inzwischen junge Erwachsene aufzunehmen. Sabine Zmuda kommentiert: „Das hatten wir auch noch nie: erst die Mutter und dann die Tochter bei uns im Coaching.“
Jessica blieb weiterhin daheim und litt unter Phobien und Depressionen. Das Jobcenter teilte ihr einen Fallmanager zu, der sich intensiv um sie kümmerte. Er sorgte für eine Zuleitung zu der Einrichtung hpkj coach, einer Partnerorganisation des IBZ Hamburger Straße. Erst jetzt begann Jessica, sich zu stabilisieren. Dank einer Verhaltenstherapie in Kombination mit Medikamenten schaffte sie es, die Wohnung zu verlassen und öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Doch noch war sie nicht soweit, regelmäßige Termine einzuhalten.
Dank IBZ aus der Isolation ins gemeinsame Kompetenzseminar
Zwei Jahre später wurde sie erneut zum IBZ Hamburger Straße zugeleitet. „Jessi war 24 Jahre alt“, erzählte Sabine Zmuda, „als ich sie im IBZ als ihre Beraterin kennenlernte. Ein jünger wirkendes, sehr schüchternes Mädchen, das sich nach außen so gar nicht schüchtern kleidete. Die Schuhe pink, das Cap blau und die Zunge gepierced“, so Zmuda weiter. „Das entdeckte ich allerdings erst nach einer Weile, denn gesprochen hat Jessi am Anfang kaum“, fügt sie an und lacht.
Einmal in der Woche kam Jessica zu den vertrauensvollen und unterstützenden Gesprächen. Und nach einer Weile überwand sie sich zur Teilnahme am zweiwöchigen Kompetenzseminar. Wegen ihrer großen Schüchternheit und zahlreicher negativer Erfahrungen mit Gruppen in der Vergangenheit, war dies ein großer Schritt für sie. Das Seminar bescherte ihr die erste positive Gruppenerfahrung seit Jahren. „Ich leitete das Seminar und freute mich, als sie sich aus ihrem Schneckenhaus heraus traute“, so Zmuda. Jessica stellten sich als überdurchschnittlich intelligent heraus, mit hoher Auffassungsgabe und einer ausgeprägten Reflexionsfähigkeit sowie hohe Empathie. Sie zeigte Talent im kreativen, insbesondere zeichnerischen und sprachlichen Bereich.
Kauffrau statt Tierpflegerin
Am liebsten hätte sie nun eine Ausbildung zur Tierpflegerin begonnen. „Ich habe Jessica nach dem Seminar noch fünf Monate als Coach begleitet und habe ihr dort Mut zugesprochen, Dinge zu wagen. Dazu gehörte eben auch ein Besuch im Berufsinformationszentrum, damit sie selbst sieht, was möglich ist“, erzählt Sabine Zmuda. „Wir hatten auch ihre Mappe dabei, damit sie sich im Bereich Gafik/Design informieren konnte. Doch leider war die Voraussetzung für ihre Wunschberufe die Mittlere Reife. Das hat sie sich damals noch nicht zugetraut.“
„Ich muss einfügen, dass Jessicas Wiedereinzug bei ihrer Mutter für sie auch als Erwachsene eine große Herausforderung und ein riesiger Erfolg gleichzeitig war“, so Zmuda. Denn Jessi sei nicht in alte Verhaltensmuster zurückgefallen. „Sicher haben wir auch dazu beigetragen“, gibt Zmuda mit verhaltenemStolz zu, „indem wir sie immer wieder erinnerten: Sie sind nicht Ihre Mutter. Sie mag zwar ihr Vorbild sein. Sie haben aber andere Möglichkeiten!“
Vom IBZ ins Karla Start – Aber Einzelgänger bleibt Einzelgänger
Sabine Zmuda übergab den Staffelstab des Coachings nach fast zwei Jahren an das VPA-Projekt Karla Start. „Ich war sehr zuversichtlich, dass das jetzt klappt, weil Jessi weiter in Therapie war, und auch der Fallmanager eng eingebunden war in jeden Schritt.“ Jessica wollte unbedingt eine Ausbildung absolvieren und erzählte sehr oft, dass das Heim zwar schlimm für sie gewesen wäre, aber den Quali verdanke sie einzig und allein dieser Zeit und ihrer damaligen Betreuerin.
Nach der Teilnahme bei Karla Start fand Jessi Dank dieses Ehrgeizes sofort einen Ausbildungsplatz zur Kauffrau für Bürokommunikation in einem Berufsförderungswerk. Diese Ausbildung soll es ihr ermöglichen, später einmal in verschiedenen sie interessierenden Bereichen arbeiten zu können. Gleichzeit soll sie aber dort die Möglichkeit haben, sich gut emotional zu schützen und abzugrenzen. Oder wir Sabine Zmuda sagt: „Sie liebt zwar nach wie vor Wölfe, aber ein Rudeltier wird Jessi nicht mehr werden.“
*Name von der Redaktion geändert