Er wird sich erfolgreich durchschlagen – auch ohne Fäuste

Erfolgsgeschichte aus dem Bereich BOJs

Heute ist ein guter Tag: Valon* hilft seinem Vater auf dem Bau. Gestern hat der 17-Jährige seinen Lehrvertrag zum Fahrzeuglackierer unterschrieben. Das Bewerbungsgespräch war gut gelaufen. Wochenlang hatte er mit dem BOJs-Team von anderwerk geübt. Doch zunächst geht es für mehrere Wochen in den Urlaub in den Kosovo, die alte Heimat der Eltern.

Vor einem Jahr um dieselbe Zeit war die Lage noch ganz anders: Aus mütterlichem Hausarrest war polizeiliche Jugendhaft geworden. Aus väterlichen Ohrfeigen der offizielle Polizeigriff.

Der Vater hatte schon damals hilflos und harsch reagiert als der Sohn mit nur 13 Jahren in die Spirale aus falschen Freunden, Gewalt, Kiosk- und Tankstellenüberfällen geraten war. Lars Baumann, sozialpädagogischer Betreuer beim Projekt BOJs erklärt: „Wir bieten jungen Männern zwischen 15 und 25 Jahren mit Belastungen eine Unterstützung in die geeignete Ausbildung oder Arbeitsstelle an. Bei Valon ist uns das gelungen und das ist mehr als erfreulich.“ Valons Traum ist, eines Tages mit einer eigenen Werkstatt durchzustarten. Wenn er Lackierer ist. Wenn er allen zeigen kann, wer er ist und wo er dazugehört.

Seine Eltern sind im Kosovo geboren. Als Valon drei Jahre alt war, entschieden sich die beiden, mit ihm und seinem Bruder nach Deutschland auszuwandern. Ihre Erwartungen waren mehr Arbeit, bessere Bezahlung und ein besseres Leben für ihre Kinder. Ihre alte Heimat blieb ihnen als Urlaubsland erhalten. Und als gute Erinnerung, alte Heimat und wichtiger Bezugspunkt. Bei zahlreichen Besuchen lernte Valon den Kosovo beziehungsweise die Kosovaren als herzliche, offene und liebenswerte Menschen kennen. Hier genoss er seine Freizeit. Hier konnte er sich Dinge leisten, die in Deutschland unerreichbar waren und sind.

„Die Deutschen“, so sagt Valon, „sind immer so unfreundlich und oft kalt.“

Im Sport kickt er sich von Sieg zu Sieg

Die Grundschule besuchte er ein Jahr länger. Die Mittelschule schloss erfolgreich ab, wenn auch seine Beteiligung am Unterricht selten war und seine Konzentrationsfähigkeit gering. An der Berufsschule ging es dann nicht mehr weiter. Bei BOJs (Berufsorientierung für Jungen und junge Männer) lernte er, sich Ziele zu setzen. Lars Baumann sagt: „Für ihn galt bislang das schnelle Geld, Ziele hatte er nur im Sport.“ Im Kickboxen sei der schlanke, ernste Jugendliche ehrgeizig und streiche bei Wettkämpfen einen Sieg nach dem anderen ein.

Die 14 Teilnehmenden bei BOJs helfen einander durch ihre Ähnlichkeit, geben sich Sicherheit und einen Raum. Als Gemeinsamkeit haben sie, dass sie schwer zugänglich sind, es ihnen schwerfällt, einen Zeitplan einzuhalten, sie unter finanziellem Druck stehen und die innere Unsicherheit zu äußerer Aggression führt.

Unsere Alternative: Ausbildung, Job und Anerkennung

Lars Baumann sagt: „ Valon ist durch die kurze Zeit im Gefängnis klar geworden, dass er das nie mehr erleben will. Wir haben ihn also motiviert, sich zu bewerben. Und sobald er eine Ausschreibung gesehen hat, haben wir einen Zeitplan mit ihm aufgestellt und ihm beim Anschreiben geholfen. Er hatte anfänglich große Angst Fehler zu machen.“ In Einzel- und Gruppengesprächen zeigten die drei Sozialpädagogen Markus Weber, Felix Fertl und Lars Baumann den jungen Männern immer wieder auf, welche Wege es gibt: Straftat, familiäre Konflikte, Isolation, Haft, sozialer Abstieg versus Ausbildung, Job und Anerkennung.

„Junge Männer wie Valon streben auch in München dem Männerbild nach, dass sie stark sein müssen und absolut loyal gegenüber Freunden und Familie. Und das beinhaltet leider auch Gewalt, ohne die Situation zu hinterfragen.“ Immer wieder tauchten Teilnehmende mit einem blauen Auge oder einer verbundenen Hand auf. „Wir versuchen, das in Gesprächen aufzulösen. Das ist zäh, aber möglich.“

Nun gelte es aber, das Verhalten zu verändern. Zu mehreren üben die Teilnehmenden mit den Sozialpädagogen ihre Sprache, Umgangsformen und Körperhaltung der Situation anzupassen. So verzichten dann auf Jugendsprache, sitzen aufrecht, reichen zur Begrüßung die Hand und suchen Blickkontakt.

Er hät seine Zukunft in Form eines Ausbildungsvertrages in der Hand

Lars Baumann betont: „Valons Eltern sind komplett integriert, erwerbstätig und sind Valon hinsichtlich des Arbeitsethos ein Vorbild. Ihre Identität und auch Sprache haben sie jedoch nie aufgegeben. Valon ist in einem guten Münchener Viertel aufgewachsen und in die Schule gegangen. Und doch war und ist er wohl auf noch auf der Suche nach seiner eigenen Identität.“

Artikulieren könne er das laut Lars Baumann nur schwer, denn auch das habe er nie gelernt. „Valon lässt sich nicht in die Karten schauen und spricht in sechs Monaten so viel, wie andere in einem“, so Baumann. „Die Prioritäten lagen in der Familie auf dem Ein- und Überleben in einer teuren Großstadt.“ Aber Valon hält nun seine Zukunft in Form eines Ausbildungsvertrages in der Hand.

Lars Baumann, Felix Fertl und Markus Weber beobachten Valons Entwicklung sehr genau und sind sich sicher, dass er es schaffen und den richtigen Weg beibehalten wird. „Schlagen wird er sich zukünftig weiter erfolgreich, aber das bitte nur im Ring.“

*Name von der Redaktion geändert.