Veränderung mit über 30 Jahren

Erfolgsgeschichte aus dem Bereich „Elektrowerkstatt“

Ihre Veränderung hat natürlich innerlich stattgefunden. Aber auch äußerlich zeigt sich ihr neues Leben: Die Haare von Christina Baum* sind nicht mehr pink. Ihre Kleidung konservativer. Sie kann sich nun neue Kleidung leisten und wechselte gleichzeitig ihren Style. Ihr Auftritt ist heute positiver, weniger fordernd und impulsiv. Sie wirkt geduldiger und besonnener.

Christina Baum* ist eine finanziell komplett selbständige Frau. Die Opferrolle hat sie hinter sich gelassen und ist selbstbewusst. Jemand, der Ratschläge gut annehmen konnte und kann. Zu verdanken hat sie diese Verwandlung den AGH-Maßnahmen des Jobcenters und damit anderwerk, wo sie in der Laptopwerkstatt arbeitete. Hier motivierten und verhalfen ihr die Vorgesetzten zu ihrer ersten Ausbildung. Und das im Alter von 30 Jahren.

Die AGH-Maßnahme machte ihr Spaß

Gehemmt war Christina Baum lange Zeit durch ihre Lebenssituation. Jahrelang hatte sie mit ihrer Mutter in Hartz IV in einer sogenannten Bedarfsgemeinschaft gelebt. Ralf Leprich betreuender Sozialpädagoge bei anderwerk berichtet: „Ihre Mutter hatte zwar eine Ausbildung, aber oft keine Arbeitsstelle und war kein Vorbild. Frau Baum lebte in der falschen Gesellschaft oder anders ausgedrückt: Durch diese Sozialisation war sie nicht motiviert, mehr zu erreichen. Aber in den ersten Gesprächen wurde schon klar, dass Frau Baum ahnte, eine Änderung ist notwendig.“

Bereits in der Schule war sie hibbelig gewesen, konnte sich nicht konzentrieren. Bald wurde ihr ADHS mit Medikamenten behandelt. Ihre psychischen Probleme führten dazu, dass sie nach dem Hauptschulabschluss keine weitere Ausbildung anging. „Was wir bei anderwerk geschafft haben ist, dass sie ihre Einstellung geändert hat“, so Leprich. Zunächst habe sie aufgrund ihrer depressiven Phasen zahlreiche Fehlstunden gehabt. „Sie sah damals weder Sinn noch Ziel“, erinnert er sich. Zu viele Anforderungen seien an sie gestellt worden. Sie habe keinerlei Voraussetzungen für den Job in der Laptopwerkstatt vorweisen können, hatte keine elektrotechnische Ausbildung. Aber, die Arbeit machte ihr Spaß. Und da kam der diplomierte Informatiker Stefan Thom ins Spiel. Er habe die Gabe dafür, Wissen zu vermitteln oder wie der Leiter des anderwerk Elektrogeräteservice Andreas Bohse sagt: „Er hat ihr das Wissen eingetrichtert.“

Motivation und fachliche Unterstützung

Also entschied sich Christina Baum dazu, in der anderwerk Notebookwerkstatt eine zweijährige Umschulung zur Fachinformatikerin zu absolvieren. Stefan Thom, Ralf Leprich sowie Andreas Bohse äußern sich bis heute schockiert über die Aussage von Christina Baums Berufsschullehrer in der ersten Woche: „Sie haben nur die Hauptschule hinter sich und werden den Abschluss hier niemals schaffen.“ Daraufhin war für alle drei klar: „Jetzt soll sie dem Dozenten zeigen, dass er keine Ahnung hat.“

Motivation und ein „verbaler Schutzschild“ baute Ralf Leprich mit ihr auf, Andreas Bohse vermittelte ihr klar und deutlich„Ich glaube an Sie“ und Stefan Thom übernahm die Praxis. Er erinnert sich: „Wir sind alle Unterlagen der Berufsschule Seite für Seite zusammen durchgegangen. Ich war mir von Anfang an sicher, dass es funktionieren würde, denn die Voraussetzungen waren ja da. Neugier und der Wille, sich mit den Themen zu beschäftigen.“ Thom verschaffte Christina Baum auch erste Erfolgserlebnisse, indem sie bei den Übungen „Aus zwei mach eins“ bald problemlos Notebook-Displays austauschte. „Wenn man kein Talent hat, kommt auch kein Interesse. Bei Frau Baum war das Interesse groß.“ So wollte sie auch von sich aus ins Deutsche Museum und er begleitet sie und erklärte Zusammenhänge.

Erfolgreiche Lehre trotz widriger Umstände

Bereits in der Zwischenprüfung hatte sie enorme Fortschritte gemacht, was in ihrem Fall die Schulnote drei bedeutete. „Euch zeig’ ich’s“, war ihre Haltung von da an, so Ralf Leprich. „Wir als Team hatten ja immer an sie geglaubt. Aber von da an glaubte auch sie selbst mehr an sich.“

Und sie schaffte die Prüfung zur Fachinformatikerin für Systemintegration. Was bedeutet, dass sie unter anderem Websites aufsetzen, Netzwerke aufbauen und Fehleranalyses bei PCs durchführen kann. Mit diesem Wissen arbeitet sie seit über einem Jahr bei einer Münchener Firma festangestellt im IT-Betreuung. Eingestiegen ist sie als Supporter, heute ist sie Teamleader. Ralf Leprich sagt nicht ohne Stolz: „Trotz widriger Umstände, hat sie sich dorthin verändert. Das geht immer. Auch noch mit 30 Jahren.“

*Name von der Redaktion geändert