Omari will es schaffen: Vom medizinischen Fachangestellten zum Arzt?
Erfolgsgeschichte aus dem Bereich BSSA
Omari ist heute 24 Jahre alt. Als Julia Kleppa, Sozialpädagogin bei der Berufsschulsozialarbeit (BSSA) von anderwerk ihn kennenlernte, war er noch keine 20 Jahre alt, aber er wirkte schon damals wie ein „reifer Herr“. Zuvorkommend, zuverlässig, pünktlich, friedfertig, nie aneckend. Die Leichtigkeit der Jugend haben ihm Folter, Flucht und Einsamkeit geraubt. Heute ist der wissbegierige junge Mann medizinischer Fachangestellter in Festanstellung, mit dem Ziel Arzt zu werden. Der Weg ist noch lang. Aber so war auch der Weg nach München. Und hier ist er schon wahnsinnig weit gekommen.
In sieben Jahren könnte ich Arzt sein
„Man merkte ihm die Herkunft aus einer gebildeten Familie an“, erzählt Julia Kleppa. Von dieser Familie übrig sind heute nur noch seine Geschwister und der Onkel. Und die sind in seinem Heimatland in Ostafrika geblieben, während Omari sich auf eine jahrelange Flucht begeben hatte. Dabei war er nicht nur auf der Suche nach Sicherheit und neuer Heimat, sondern auch nach Bildung. Einen Schritt ist er bereits gegangen: Er arbeitet heute in einer Fachklinik als medizinischer Fachangestellter. Aber er will noch weit hinaus: „In sieben Jahren könnte ich Arzt sein“, sagt er hoffnungsvoll. Und Julia Kleppa ergänzt: „Wenn es einer von den Jugendlichen der Berufsschule schafft, dann er.“
In Ostafrika war er wie seine Eltern bedroht und schließlich auch gefoltert worden. Der damals Minderjährige brach allein auf. Zu Fuß, mit dem Flugzeug, mit dem Schiff und wieder zu Fuß, unterbrochen von langen Pausen wie fünf Monate im kalten griechischen Winter in den Bergen, kämpfte er sich über Serbien, Kroatien, Italien bis Deutschland. „In München hat uns die Polizei sofort zur Bayernkaserne gebracht. Ich war so froh. Weil ich nicht mehr zu Fuß gehen konnte und wollte.“
Die Rassisten sind nicht die Mehrheit
Er hatte gehört, dass er in Deutschland eine gute Chance habe, sich zu bilden. In seiner Heimat hatte er die Schule nur bis zu achten Klasse besuchen können. Auf der Flucht lernte er zusätzlich zu seiner Muttersprache und Arabisch noch Englisch und ein paar Brocken Türkisch dazu. Sprachen, die ihm in München zwar weiterhalfen, doch ein Problem bleibt: „Bis heute verstehe ich die Leute nicht, wenn sie Bayerisch sprechen, trotz meiner Deutschkurse bei anderwerk“, berichtet er lachend.
Julia Kleppa hatte ihn in seinem ersten Lehrjahr kennengelernt, als er die Integrationsklasse auf der Berufsschule besuchte. Sie vermittelte ihn zu den anderwerk Deutschkursen und zu den Ausbildungsbegleitenden Hilfen (abH) bei anderwerk. „Zwei Mal in der Woche durfte ich zur Nachhilfe bei abH in der Gneisenaustraße gehen. Ohne diese Lehrer hätte ich die Ausbildung nicht geschafft“, sagt Omari.
Warum es in Richtung Medizin ging, erklärt der sonst sehr zurückhaltende Omari mit seiner Vorliebe für Interaktion mit Menschen: „Ich möchte mit Menschen arbeiten und helfen.“ Seine Erfahrungen seien in München zum Großteil sehr positiv und dafür ist er sehr dankbar: „In München sind fast alle nett. Fast. Manche sehen mich an und wollen nicht, dass ich Ihnen Blut abnehme oder ihren Blutdruck messe. Sie fragen vorher ‚Woher kommst du?‘ Und ich höre den Unterschied, ob es sie interessiert, oder ob sie mich ablehnen.“ Auf der Rolltreppe in einem Kaufhaus habe ihm ein Fußballfan einmal ein Bier ins Gesicht geschüttet. „Ich habe mich mit dem Ärmel getrocknet und nichts gesagt. Das war besser. Die sind nicht die Mehrheit.“
anderwerk unterstützt in der Ausbildung
Großen Stolz habe er empfunden als sein Chef ihn mit den Worten lobte: „Du kapierst sehr schnell und bist sehr aufmerksam.“ Voller Lob ist auch Julia Kleppa: „Er ist ein Vorbild für andere, vor allem bezüglich seiner Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und Disziplin. In all den Jahren hab ich nie ein Jammer gehört.“ Dann hebt sie hervor: „Als einziger hat er den Deutschkurs für Fachangestellte voll durchgezogen und die Prüfung im ersten Anlauf geschafft.“ Jetzt stellt sich die Frage, wie es weitergeht. Omari sagt: „Ich habe verschiedene Praktika machen dürfen. Ich war im Altenheim, beim Zahnarzt und auch bei der Deutschen Bahn. Nach dem Mittelschulabschluss hab ich mich für die Ausbildung zum medizinischen Fachangestellten entschieden. Mein nächstes Ziel ist Arzt.“
Leider habe ihn seine Corona-Erkrankung zurückgeworfen. „Ich möchte so bald wie möglich mein Fachabi machen, studieren und wenn mein Deutsch endlich gut genug ist, will ich Mediziner werden. Ich will noch mehr helfen. Bislang bin ich in meinem Wissen und damit in meinem Handeln eingeschränkt.“ Sein Onkel begleitet die Entwicklung aus der Ferne. Julia Kleppa steht mit Rat und Tat bei anderwerk bereit und ist sich sicher: „Sein Durchhaltevermögen wird ihn noch weit bringen.“
*Name von der Redaktion geändert