Schüchterner zweisprachiger Moby Dick ausgebildet
Erfolgsgeschichte aus dem Bereich „anderschule“
„Me chame de Ishmael“, war einer der letzten Sätze, die Arthur* vom Portugiesischen ins Deutsche übersetzt hatte. Arthurs brasilianische Mutter gibt ihm immer wieder kurze Texte in ihrer Muttersprache, so dass Arthur in Übung bleibt. Knapp zwei Jahre seiner Kindheit hatte er in Brasilien verbracht. Noch heute spricht er mit seiner Mutter und anderen Verwandten in München Portugiesisch. Arthur hatte sich immer auf seine kleine Kern-Familie verlassen. Mit seiner Mutter und den zwei Schwestern lebte er in einer Münchener Wohnung – bis ihnen der Vermieter kündigte.
„Ich weiß nicht, was passiert ist“, schildert Arthur immer noch verwirrt die Vorgänge. „Ich war 17 und wir landeten in einer Notunterkunft. Meine Mutter hat wohl einfach die Miete nicht gezahlt.“ Gerade eine Woche zuvor hatte er bei der Berufsorientierung von anderwerk angefangen.
Kein Halt, kein Lob, keine Ausbildung
Arthur hatte direkt nach der Hauptschule eine Ausbildung zum Anlagenmechaniker bei einem Heizungsbetrieb begonnen. Er beschreibt seine Tätigkeiten dort mit: Baustelle aufräumen und Schutt tragen. Der Junge, der körperliche Arbeit nicht gewohnt war, ging nach ein paar Monaten im wahrsten Sinne des Wortes in die Knie. Er musste sich Rücken und Gelenke ärztlich behandeln lassen. In dieser Ausbildung hatte er kein einziges Erfolgserlebnis gehabt, keine Ansprache und kein Lob erhalten. In der Folge zog sich der schüchterne und zurückhaltende Junge immer mehr zurück.
Das JobCenter vermittelte Arthur schließlich an anderwerk. In der anderschule wollte er seinen Quali ablegen, denn bislang hatte er nur einen einfachen Mittleren Schulabschluss. Parallel absolvierte er ein Praktikum in der KFZ-Werkstätte von anderwerk. Während es also in der Ausbildung aufwärts ging, fand sich die Familie plötzlich in der Münchener Notunterkunft wieder.
Wohnung, Ausbildungsvertrag, Schule
Arthur kam mit der Situation nicht klar. Ihm fehlten Rückzugsmöglichkeiten. Wieder wurde er krank. Dieses Mal schlug ihm die Situation auf den Magen. Er fehlte häufig und verpasste wichtige Einheiten bei anderwerk. „13 Tage vor meinem Geburtstag kam dann wie ein Geschenk eine Wohnung. Meine Lehrer hatten sich um einen Antrag auf eine betreute Jugendwohnung gekümmert“, erzählt Arthur erleichtert. Von da an wurde alles besser: „Ich habe zuerst meine Ernährung umgestellt und regelmäßig gegessen. Außerdem habe ich gleich viel besser geschlafen und war so froh, auch mal Freunde einladen zu können.“ Den wenigen Kummerspeck dieser Zeit, trainiert er augenblicklich beim Fußball ab.
Das Praktikum verlief ebenfalls erfreulich: Arthurs Betreuer erhielten eine sehr gute Rückmeldung über den Jugendlichen und eine Empfehlung, dass sie Arthur sehr gerne als Auszubildenden einstellen würden. Schnell hatte sich herausgestellt, dass er mit Werkzeug geschickt umgehen kann und für den Beruf des Kfz-Mechatronikers überaus geeignet ist. Arthur selbst fühlte sich in der Werkstatt von den dortigen Mitarbeitern herzlich aufgenommen: „Es ist einfach immer jemand für mich da.“ Nachdem auch das Jugendamt die Ausbildung genehmigte, unterzeichnete Arthur einen Ausbildungsvertrag über eine dreieinhalbjährige Ausbildung in der anderwerk Kfz-Ausbildungswerkstatt.
Dank anderwerk-Mannschaft zur Berufsausbildung
Tobias Schlereth hatte Arthur im Januar 2017 kennengelernt. „Wir sind so stolz, was aus dem schüchterner junger Mann geworden ist“, berichtet der Lehrer und Ausbilder bei anderwerk. „Bei uns sind Schüler verschiedener Altersklassen mit unterschiedlichem Wissensstand. Einerseits lenken sie sich ab von ihrem Problemen und zum anderen motivieren sie sich gegenseitig, nicht abzubrechen. Arthur besuchte einmal wöchentlich den Ganztagsunterricht. In einer Kleingruppe bereitete sich Arthur auf die Prüfung in den Fächern Deutsch, Englisch, Mathematik, AWT und Religion vor. „Er war immer pünktlich und interessiert“, so Schlereth „und schaffte deshalb im Sommer 2017 seinen Qualifizierenden Hauptschulabschluss mit 2,8.“
Im Herbst 2017 trat Arthur schließlich seine Ausbildung an. Wie erwartet, erfüllt er die Anforderungen zu aller Zufriedenheit. Nun meistert er auch private Herausforderungen mit größerer Gelassenheit: „Kaum bin ich in der Ausbildung, hat sich auch mein Vater gemeldet, weil er jetzt nicht mehr zahlen muss. Auf den Kontakt kann ich verzichten. Mir reichen meine Mutter und meine Geschwister, wir waren immer für uns da.“
Arthur konzentriert sich stattdessen auf einen erfolgreichen Berufsabschluss. Und hofft, seine Zweisprachigkeit einmal auch beruflich nutzen zu können. Seine Mama gibt ihm nach wie vor Texte, die er übersetzen soll. „Man nenne mich Ismael“ ist der erste Satz aus dem Buch „Moby Dick“ und Arthur hat sich durchgekämpft. Durch den Textausschnitt, durch die Schule und durch die Ausbildung. Mit Unterstützung der Mannschaft von anderwerk.
*Name von der Redaktion geändert.